Verkaufen mit allen Sinnen – Wie Düfte, Musik und visuelle Eindrücke unser Kaufverhalten beeinflussen

v.l.n.r. Marko Sarstedt (Ludwig-Maximilians-Universität München), Sabine Schoner (Kultur Räume Gütersloh), Sabine Häring (Miele & Cie. KG) und André Mielitz (Artgerecht Werbeagentur GmbH) Foto: Sarah Jonek
28. August 2023
Natives GmbH & Co. KG (Ravensberger Str. 12a, 33602 Bielefeld)

Verkaufen mit allen Sinnen

Wie Düfte, Musik und visuelle Eindrücke unser Kaufverhalten beeinflussen

(Bielefeld, 28. August 2023) „Auf seine Titel legt der Referent des Abends selbst keinen Wert“, stellt Sabine Schoner, Vorständin und Programmplanerin des Marketing Clubs OWL Bielefeld, bei der Begrüßung lachend fest. Zu Gast war Prof. Dr. Dr.  Marko Sarstedt, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Vorstand für Wissenschaft und Innovation im Deutschen Marketing Verband. Den Kontakt zu Marko Sarstedt hatte Sabine Schoner auf dem Deutschen Marketing Tag im November 2022 in Frankfurt geknüpft und sich anlässlich eines Vortrags von seinen Qualitäten als Redner überzeugen lassen.

 

„Der Fokus meiner Forschung liegt auf der Verbesserung multivariater statistischer Analysemethoden, um Konsumentenverhalten besser zu verstehen. Aber da dies kein unbedingt cocktailpartytaugliches Thema ist, habe ich mir mit der Multisensorik ein zweites Forschungsstandbein gewählt“, beginnt der sympathische Wissenschaftler seinen Vortrag, bei dem er überwiegend aus der Praxis berichtet. Es geht in erster Linie darum, wie Düfte das Kaufverhalten beeinflussen. Ein Aspekt, der dem durch Online-Handel arg gebeutelten stationären Einzelhandel nützen kann. Denn er hat einen ganz entscheidenden Vorteil: „Das Einkaufserlebnis ist mit allen Sinnen erfahrbar“, betont Marko Sarstedt. Und Düfte spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie sorgen dafür, dass beispielsweise automatisch Erinnerungen wach werden. Er selbst denkt bei dem Geruch eines Duftbäumchens an seinen Großvater. „Mit der Duftrichtung ,Grüner Apfel“ verbinde ich etwas Wunderbares, nämlich die Fahrten mit meinem Opa in seinem alten Mercedes 500 SE. Und bei den Ausflügen gab es auch immer eine Cola für mich.“ Ähnliches hat sicherlich schon jeder mal erlebt. So erinnert viele Menschen der Geruch von Sonnencreme an den Urlaub. Und auch der morgendliche Duft von Kaffee macht uns wach. Dazu müssen wir ihn noch nicht einmal trinken.

 

Anziehung & Abschreckung

Einige Unternehmen setzen schon sehr bewusst auf die Wirkung von Düften. So verwendet die Modemarke Abercrombie & Fitch in ihren Stores schon seit längerem einen ikonischen Duft, der jungen Menschen gefällt. Ältere empfinden ihn hingegen als eher aufdringlich, aber das ist genau so gewollt. Das Label will nur eine bestimmte Zielgruppe im Laden haben. Auch Singapore Airlines versprüht einen bestimmten Duft in den Kabinen ihrer Flugzeuge und die Crew muss genau dieses Parfüm verwenden. Der Duft bewirkt, dass die Passagiere die Flugreise als angenehmer und kürzer wahrnehmen. Bei Starbucks stammt der Kaffeeduft übrigens nicht immer von frisch aufgebrühten Heißgetränken, sondern aus einer Kartusche. Auffällig viele Supermärkte installieren Bäckereien in ihrem Eingangsbereich. Der Duft von frisch gebackenem Brot wirkt sich positiv auf die Konsumfreude aus. Es werden sowohl in der Bäckerei als auch im Supermarkt selbst mehr Backwaren gekauft. Wird allerdings der Bereich, der beduftet wird, ausgeweitet oder die Intensität erhöht, dann verkehrt sich der positive Effekt auf das Kaufverhalten ins Gegenteil: Die Konsumenten haben sich sattgerochen und kaufen weniger.

Australische Forscher haben in einem Supermarkt mit einem Melonenduft experimentiert und festgestellt, dass die Konsumenten um 30 Prozent länger im Markt verweilen und der Abverkauf um 23 Prozent stieg. „Wenn man einen Duft der Zielgruppe entsprechend auswählt, kann eine Steigerung von 18 bis 20 Prozent erreicht werden. Aber der Duft muss passen“, so Marko Sarstedt.

 

Keine Frage der Wahrnehmung

Um die Auswirkungen von Düften in einem natürlichen Setting über einen längeren Zeitraum zu erforschen, hat Marko Sarstedt mit seinem Team einen Versuch bei der Deutschen Bahn durchgeführt. Über vier Monate wurden im Pendlerverkehr einige Waggons mit einer beruhigenden Geruchsnote beduftet – und andere nicht. Die Pendler wurden im Anschluss zu ihrer Wahrnehmung befragt. Die Menschen, die in den Genuss des Duftes kamen, beurteilten Serviceleistung und -qualität ihrer Fahrt mit der Deutschen Bahn positiver als die Pendler in den anderen Abteilen. Eine wichtige Erkenntnis dabei: Von 40 Befragten hatte nur einer eine leise Ahnung davon, dass es irgendwie ein bisschen anders roch als sonst. Der Duft wurde von den meisten Fahrgästen nicht bewusst wahrgenommen. Und eine andere Erkenntnis war, dass die Umgebungsdüfte langfristig wirkten und sich der Effekt nicht etwa nach vier Wochen abnutzte.

Düfte haben eine unmittelbare Wirkung auf unser Empfinden. „Kalte Düfte, wie z. B. Pfefferminz, bringen uns dazu, fetthaltiger zu essen, während wir bei einem warmen Duft, wie etwa von Vanille, gern zum Salat greifen, aber auch Luxusprodukte kaufen“, führt der Experte für Multisensorik weiter aus. Eine weitere Facette bilden maskuline (z. B. Holz) oder feminine Düfte (z. B. Aprikose). Bei der Herren- bzw. Damenbekleidung muss der Duft ebenso passen wie die Farbgebung. In der Herrenabteilung sind es eher dunklere und in der Damenabteilung vorwiegend hellere Farben, die das Kaufverhalten positiv beeinflussen. Der Drogeriemarkt DM hat beispielsweise ein Männerregal eingeführt – in Schwarz gehalten und gleich im Eingangsbereich. Denn Analysen haben gezeigt, dass Männer keine Lust haben, quer durch den Laden zu streifen. Das ist auch problematisch beim gemeinsamen Einkauf mit der Partnerin. Andere Einzelhändler haben „Spielecken“ für Männer eingerichtet, wo sie die Zeit verbringen können, während ihre Partnerin einkauft,

Farben, Lichtkonzepte und die räumliche Gestaltung – all das beeinflusst unser Kaufverhalten. Stehe ich auf einem harten Boden, fühlt sich der Pulli, den ich zur Hand nehme nicht so weich an, als stünde ich auf einem flauschigen Teppich. Die Tomate im Supermarkt ist zu Hause nicht mehr so rot wie in der clever ausgeleuchteten Gemüseecke. Und wenn ich vor dem Weinregal stehe und im Hintergrund italienische Musik läuft, fällt meine Wahl sehr wahrscheinlich auf einen Wein aus Italien. Fühlen, Sehen, Riechen, Hören, Schmecken – wer mit dem Orchester der Sinne – alles ist gut aufeinander abgestimmt – spielen kann, der schafft ein gutes Einkaufserlebnis für seine Kunden. 

 

Text: Eike Birck

Fotos: Sarah Jonek 

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