GEN Z – wer kommt da eigentlich?

v.l.n.r. André Mielitz (Artgerecht Werbeagentur GmbH), Prof. Dr. Natalie Bartholomäus (Fachhochschule Bielefeld), Sabine Schoner (Kultur Räume Gütersloh), Prof. Dr. Markus Stegemann (Fachhochschule Bielefeld) und Eric Adelt (IP Adelt GmbH) Foto: Sarah Jonek
30. Januar 2023
FH Bielefeld University of Applied Sciences, Konferenzbereich (Interaktion 1, 33619 Bielefeld)

GEN Z – wer kommt da eigentlich?

Jede Generation tickt anders

(Bielefeld, 30. Januar 2023) Das Interesse war groß, der Konferenzsaal in der Fachhochschule Bielefeld vollbesetzt. Vorständin Sabine Schoner freute sich bei der Begrüßung der Mitglieder und Gäste des Marketing Clubs OWL Bielefeld besonders darüber, dass altersmäßig Vertreter*innen verschiedenster Generationen gekommen waren. Den Fokus der Veranstaltung legten Prof'in. Dr. Natalie Bartholomäus und Prof. Dr. Manuel Stegemann – beide von der FH und Angehörige der Generation Y –  auf die GEN Z.

 

Denn die Generation Z – darunter werden zwischen 1995 und 2014 Geborene gefasst – stellt Personaler*innen, Marketingexpert*innen und Unternehmer*innen zunehmend vor Herausforderungen. Wer kommt da eigentlich und worin unterscheidet sich diese Generation von anderen? Und: Wie stelle ich mich richtig auf? Es gibt bislang noch nicht viel evidenzbasierte Forschung zu dem Thema. Deshalb reicherten Prof'in. Dr. Natalie Bartholomäus und Prof. Dr. Manuel Stegemann ihre überaus interaktiven Vorträge – sie griffen zwischendurch viele Anmerkungen und Beobachtungen der Gäste auf – Anekdoten aus der eigen Praxis an. Prof'in. Dr. Natalie Bartholomäus berichtete aus der HR-Sicht und Prof. Dr. Manuel Stegemann aus der Perspektive des Marketings.

Natalie Bartholomäus, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalmanagement und Organisation, und zugleich Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit und strategisches Human Resources Management, begann mit zwei Begebenheiten aus ihrem Alltag. Eine Studentin schrieb sie mit der Bitte an, einen Prüfungstermin zu verschieben, weil sie eine Anfahrt von 40 Minuten habe. Das sorgte zum einen für Heiterkeit, aber auch für verständnisinniges Nicken im Publikum. Bei anderer Gelegenheit bat sie eine Mitarbeiterin – ebenfalls Angehörige der GEN Z – einen Anruf zu tätigen. Das entsetzte: Ich soll da anrufen?! Kam ebenfalls vielen im Publikum bekannt vor. Es scheint, als habe die jüngere Generation das Telefonieren verlernt. Charaktertisch für die Generation Z sei, so Prof'in. Dr. Natalie Bartholomäus, sich selbst ins Zentrum zu stellen und zu erwarten, dass sich das Umfeld entsprechend darauf einzustelle. Die „neue“ Generation habe deutlich mehr Selbstbewusstsein als vorherige und sei sehr klar darin, was sie will und was nicht. Werte und Selbstverwirklichung stünden ganz oben auf der Agenda. Mit Auswirkungen auf die Erwartungshaltung an die Unternehmen. In Zeiten von Arbeitskräftemangel weiß die Generation um ihre Attraktivität und stellt Forderungen. „Sie wollen einen Platz, an dem sie ihre Kreativität ausleben können“, verdeutlicht  Prof'in. Dr. Natalie Bartholomäus, die vor Verallgemeinerungen warnt, denn die Heterogenität innerhalb der GEN Z sei sehr hoch.

 

Wie tickt GEN Z?

Generationenforscher Rüdiger Maas hat für die GEN Z (Studie 2019) zentrale Eigenschaften identifiziert: selbstbewusst, familienorientiert, online: individualistisch, offline: konservativ, ungeduldig in puncto sofortiger Bedürfnisbefriedigung und Feedback sowie digital versiert. Beobachtungen, die Prof'in. Dr. Natalie Bartholomäus teilen kann. So werden ihrer Erfahrung nach bei Studierenden der Generation Z Masterarbeiten aufgrund privater Umstände, wenn beispielsweise die Schwester heiratet, verschoben. Außerdem ist Mobile Work für GEN Z ein wichtiges Entscheidungskriterium für oder wider einen Job. Insgesamt nähme die Loyalität einem Arbeitgeber gegenüber ab, GEN Z arbeitet zunehmend projektbezogen und vertraut eher Menschen denn Institutionen. Dabei ist diese Generation ungemein optimistisch: Sie ist davon überzeugt, den Traumjob zu finden und bleibt beharrlich dran. Dabei spielt das Gehalt oftmals keine so wesentliche Rolle, wichtiger sind Selbstverwirklichung, Purpose oder auch ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement. GEN Z ist ob einer ungesunden Lebensweise/Ernährung vorheriger Generationen irritiert. Während die älteren Generationen gelinde gesagt überrascht sind, dass GEN Z beispielsweise das Telefonieren scheut und selbst einer WhatsApp den Vorzug vor dem Schreiben einer E-Mail gibt.

 

Innerlich zerrissen

Dabei ist das Verhalten der GEN Z nicht frei von Widersprüchen. Sie stellen Purpose über den Profit, sind aber laut einer Studie zu über drei Vierteln bereit, wegen eines besseren Vertrags den Job zu wechseln. Authentische Nachhaltigkeit eines Unternehmens ist für die junge Generation sehr wichtig, aber die Bereitschaft, sich daran zu beteiligen ist nur bei niederschwelligen Angeboten vorhanden. Das Engagement soll unverbindlich sein. Auf der einen Seite erwarten die Jüngeren von Arbeitgeber*innen eine visionär-ermächtigende Beziehung auf Augenhöhe, wollen aber dennoch extrem differenzierte Arbeitsaufträge und feste Strukturen, in denen sie sich kreativ ausleben können.

Diese Widersprüchlichkeit ist für Manuel Stegemann, Professor für Markt- und Werbepsychologie und Marketing am Fachbereich Wirtschaft der FH Bielefeld, ein Ausdruck dafür, dass diese Generation das Gefühl hat, die Last der Welt auf den Schultern zu tragen. Seinen Beobachtungen zufolge beißt sich das Sicherheitsbedürfnis mit dem Drang nach Individualismus. Hinzu kommt,  dass der jüngeren Generation augenscheinlich die ganze Welt offensteht. Damit wächst der Druck, etwas Tolles, Außergewöhnliches aus dem Leben zu machen. Die Furcht, etwas zu versäumen – fear of missing out – ist bei GEN Z besonders ausgeprägt. Soziale Medien erhöhen diesen Druck noch weiter. Denn die soziale Vergleichbarkeit sei durch Instagram und Co. noch nie so präsent gewesen, so Prof. Dr. Manuel Stegemann. Da im Netz überwiegend Erfolgsstorys gepostet werden, die unter Umständen nicht viel mit der Lebensrealität zu tun haben, mache das Surfen auf Sozialen Medien  tendenziell unglücklich.

 

Was catcht GEN Z?

Seit drei Semestern lässt Prof. Dr. Manuel Stegemann die Studierenden frei wählen, mit welchem Unternehmen sie sich im Rahmen einer schriftlichen Arbeit eingehender beschäftigen möchten – ausgenommen sind große Konzerne, über die schon viele Infos um Netz zu finden sind. An erster Stelle stehen bei den Studierenden Unternehmen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit widmen, gefolgt von dem Themenkomplex Gesundheit, Fitness und Ernährung. An dritter Stelle rangieren Firmen, deren Produkte/Dienstleistungen in den Bereich Enttabuisierung und gesellschaftliche Werte fallen – nach regionale Unternehmen auf Platz vier.

Das bedeutet, dass sich Angehörige der GEN Z mit Unternehmen identifizieren, die für Sinnhaftigkeit stehen. Auch hier steht wieder Purpose über Profit. Die Themen Nachhaltigkeit, Gesundheit und der Drang zu gesellschaftlicher Veränderung sind omnipräsent. „CSR-Aktivitäten von Unternehmen werden mehr den je beachtet und kritisch beäugt“, so der Wirtschaftspsychologe.  Greenwashing sei absolut verpönt. 

Welche Implikationen haben diese Erkenntnisse für das Marketing? Als erfolgreiches Beispiel nennt Prof. Dr. Manuel Stegemann die Marke „Patagonia“, die mit nachhaltiger Herstellungsweise, Serviceleistungen zur Schonung der Umwelt (z. B. Reparaturen) sowie Investitionen in den Umweltschutz bei den GEN Z punktet. Durch das Angebot, die kostspielige Outdoor-Bekleidung zu reparieren, verhindert und fördert der Hersteller den Konsum. Eine Strategie, die offenbar funktioniert.

 

 

Thumb Stopper statt Eye Catcher

Für die Generation Z ist Social Media wichtig als TV, was nicht bedeutet, dass Fernsehen komplett unwichtig geworden sei. Bei Social Media sind jedoch die von GEN Z erwartete Möglichkeiten zur Interaktion gegeben. Außerdem, so Prof. Dr. Manuel Stegemann, entscheiden Angehörige der jüngeren Generation deutlich schneller, ob sie bei einem bestimmten Format dranbleiben oder weiterscrollen – der Daumen der Inhalte wegwischt, muss also gestoppt werden. Die Inhalt selbst müssen „snackable“ sein, also kurz, einfach, überall konsumierbar und zudem unterhaltsam. Weil die Generation Z Menschen und nicht Institutionen vertraut, haben Influencer einen anderen Stellenwert: Sie werden als kreativ, authentisch und glaubwürdig wahrgenommen. 

Emotionalität, Storytelling und gesellschaftliche Relevanz – damit können Angehörige der GEN Z erreicht werden. Alles Faktoren, die nicht neu sind, aber gerade mit Blick auf die Erreichbarkeit der Jüngeren noch mehr an Bedeutung gewonnen haben. Das beste Beispiel sei der erfolgreiche Edeka-Spot #heinkommen, der bei allen Generationen – also auch bei Z – sehr gut angekommen und im Gedächtnis geblieben ist.

Zum Abschluss der anregenden Veranstaltung gab Prof'in. Dr. Natalie Bartholomäus noch einen Ausblick aus der Nahempirie auf die Generation Alpha. Demzufolge wird bei dieser Generation der nach 2015 Geborenen die subjektiv wahrgenommene Fairness eine größere Rolle spielen. Themen wie Nachhaltigkeit, Klima, Umwelt und Diversität hat diese Generation bereits im Blut. Außerdem können Angehörige dieser Generation bereits vor der Einschulung Smartphones und Tablets intuitiv bedienen. Außerdem sehen sie die Welt noch weniger in der Gestalt festgelegter Gegebenheiten, sondern vielmehr in Form von Verhandlungsspielräumen. Es bleibt also spannend, wie unterschiedliche Generationen künftig miteinander umgehen und wie die nachrückenden Jungen von HR und Marketing erreicht werden können. 

 

Text: Eike Birck

Fotos: Sarah Jonek

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