Das Zuglabor – Wie die Deutsche Bahn Kundenbedürfnisse testet und in die Gestaltung der Zugausstattung einbezieht

v.l.n.r. Christine Schaper (DB Fernverkehr AG), Ingo Sander (rc - research & consulting GmbH), Uwe Rössler (Hochschule Bielefeld), Sven Scheffler (Hörmann KG Verkaufsgesellschaft), Laura Menne (Hörmann KG Verkaufsgesellschaft) und Nils Hensdiek (mediaprojekt GmbH) Foto: Sarah Jonek
05. Juni 2023
Natives GmbH & Co. KG

Das Zuglabor

Wie die Deutsche Bahn Kundenbedürfnisse testet und in die Gestaltung der Zugausstattung einbezieht

(Bielefeld, 5. Juni 2023) „In schöner Tradition findet ein Mal im Jahr eine Kooperationsveranstaltung mit dem Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e. V. statt“, stellt Prof. Dr. Uwe Rössler, Mitglied des Beirats des Marketingclubs Ostwestfalen Bielefeld, fest und leitet über zu Ingo Sander von rc – research & consulting GmbH. „Unsere Regionalgruppe umfasst Bielefeld, Münster und Osnabrück“, erklärt der Marktforscher und begrüßt mit Christine Schaper die Referentin des Abends in den schönen Räumlichkeiten von Natives.

 

„Die Deutsche Bahn, Frankfurt und Bielefeld haben eines gemeinsam, sie sind besser als ihr Ruf“, sagt sie einleitend. Seit mehr als 25 Jahren ist Christine Schaper in der Marktforschung tätig, die letzten 15 Jahre bei der Deutsche Bahn AG in Frankfurt. Zusammen mit ihrem Team verantwortet sie den Bereich Kundenzufriedenheit und Mobilität. An diesem Abend gewährt Christine Schaper überraschende Einblicke in die Marktforschungsstrategie des Unternehmens.

Im „Zuglabor“ werden ausgesuchte Kunden befragt, wie die Innenausstattung von Zügen beschaffen sein muss, damit sich die Fahrgäste wohlfühlen. Es geht u. a. um die Qualität der Sitze, Raumkonzepte, Beleuchtung, Toiletten, Gepäckablagen und vieles mehr. Einer der ersten Sitztests fand 2008 in einem Nürnberger Museum statt, ausgehend von der Prämisse, dass Menschen durchschnittlich 3 Stunden in einem ICE, 25 Minuten in einer S-Bahn und 45 Minuten in einem Regionalexpress verbringen. 2009 wurden Probanden bei Ein- und Ausstiegssituationen in einem ICE 3 begleitet. Alle Ergebnisse fließen in die Konzeption des ICE 5 ein, der 2035 auf die Schiene gehen soll. Auch Digitalisierung ist dabei ein Thema.  

Für die Tests im Zuglabor werden unterschiedliche Reisende ausgewählt: Geschäftsleute, Familien mit Kindern, Fahrradfahrer oder Urlauber mit viel Gepäck. Die Probanden begehen einen nachgebauten Dummy, wie z. B. den aus Holz nachgebauten ICE 4, der in Augsburg steht, und berichten in anschließenden Interviews von ihren Erfahrungen. Eine andere Methode ist das „dynamische Zuglabor“. Hierbei werden die Probanden verkabelt, mit Mikrofonen ausgestattet und bei ihren Erlebnissen gefilmt, um die direkte Reaktion beobachten zu können. Ein kurzer Film zeigte eindrücklich die Schwierigkeiten der Testpersonen in den zu kleinen Toiletten; die Tür stößt beim Öffnen direkt gegen den Toilettensitz. Auch bei den qualitativen und quantitativen Befragungen schneiden die Toiletten eher schlecht ab, mangelnde Sauberkeit und Geruchsbelästigung werden dabei häufig genannt.

Die Evaluationen haben beispielsweise auch ergeben, dass die Kunden den neuen ICE 4 als zu eng empfinden. Tatsächlich sind die Züge 30 Zentimeter schmaler als die Vorgängermodelle, weil die Deutsche Bahn mehr Personen in insgesamt weniger Waggons unterbringen will. Das sorgt insbesondere bei Ein- und Ausstiegssituationen und beim Begegnungsverkehr – wie bei der Suche nach einem Sitzplatz – für „Stau“. Deshalb wurden in jedem Wagen 16 Sitze herausgenommen. Außerdem wurde evaluiert, dass Abteile beliebter sind als nicht abgetrennte Großraumabteile. Eine weitere Herausforderung für die Deutsche Bahn ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das Mitte 2025 in Kraft tritt und einen barrierefreien Transport vorsieht. Und weiteres großes Thema ist die Mitnahme von Fahrrädern – insbesondere E-Bikes, aber auch elektrisch betriebene Rollstühle.

 

Für die Neukonzeption des ICE 5 – dem Zug der Zukunft – wurde eigens ein „Ideenzug“ ersonnen, um verschiedene Module einer progressiven Innenraumkonzeption in puncto Anwendbarkeit und Akzeptanz der Fahrgäste im Vorfeld auf den Prüfstand zu stellen. Zudem wird Designforschung auch mit VR-Brillen betrieben.

Man darf also gespannt sein, wie die Ausstattung künftiger ICEs aussehen wird. 

 

Text: Eike Birck

Fotos: Sarah Jonek

 


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