(Bielefeld, 25. November 2024) Es war die vorletzte Veranstaltung des Marketing Clubs Ostwestfalen-Lippe in diesem Jahr. „Ich freue mich, dass unser Thema wieder auf so gute Resonanz gestoßen ist“, stellt MC-Programmplaner Nils Hensdiek mit Blick auf die zahlreich erschienenen Mitglieder und Gäste fest. Bei der Graphic Group Mensch & Medien GmbH in Bielefeld stand das spannende Thema KI-Models in der Werbung auf dem Programm.
Die 1925 gegründete Agentur mit rund 70 Mitarbeitenden ist Spezialistin für visuellen Content und bietet zudem den kompletten Service rund um das Thema Verpackung an. Zu den Kunden zählen namhafte Unternehmen – aus der Region und darüber hinaus. „Seit zwei Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit KI“, berichtet Gastgeber und zugleich Geschäftsführer Christian Ellers. „Anfangs haben wir gemeinsam mit unseren Kunden Pilotprojekte realisiert. Seit Anfang 2024 setzen wir bereits echte Kundenprojekte um.“ Denn die Qualität KI-generierter Fotos ist in den letzten anderthalb Jahren deutlich besser geworden. Die sprichwörtlichen sechs Finger an einer menschlichen Hand gehören der Vergangenheit an und Bilder reichen nahezu an die 100 Prozent des Fotorealismus' heran. Allerdings empfiehlt es sich, die Trainingsdaten der KI im Blick zu behalten – lediglich 17 Prozent der Weltbevölkerung eine dunkle Hautfarbe und 15 Prozent eine Behinderung haben, davon sitzen etwa 1 Prozent im Rollstuhl –, um eine passgenaue und emotionale Kundenansprache zu erreichen.
Bilder schaffen Emotionen
Die Internationalisierung der Märkte ist ein großes Thema. Diese müssen aber genau analysiert werden. „Bei einer Werbung im asiatischen Raum setzen wir auf europäisch aussehende Models, weil das Label 'made in Germany' nach wie vor eine bedeutende Rolle spielt“, berichtet Christian Ellers. „In der Türkei kommen beispielsweise türkisch aussehende Models zum Einsatz.“
Damit eine KI-generierte Bilderstellung funktioniert, muss die Personenbeschreibung – das Prompting – möglichst genau sein und neben Alter, Abstammung, Geschlecht auch Hauttyp, Kopf, Kleidung, Accessoires etc. enthalten. „Bei uns bewerten unsere Kollegen aus der Postproduktion das Ergebnis und geben Feedback, was verbesserungswürdig ist“, schildert der Geschäftsführer den Prozess. Und so werden beispielsweise im Bild der Faltenwurf der Kleidung oder Sommersprossen im Gesicht händisch nachbearbeitet. Auch die Reproduzierbarkeit eines Models – ändert man beispielsweise Alter, Herkunft oder Setting – klappt mit den technischen Möglichkeiten mittlerweile gut. „Unsere Kunden sind durch den Einsatz von KI schneller in der Lage, sich auf unterschiedliche Märkte einzustellen“, resümiert Christian Ellers. Vollständig KI-generierte Fotos – also ganz ohne manuelle Nachbearbeitung – eignen sich hingegen eher als Ersatz für Stock-Fotos oder als Moodbilder. Die Vorteile beim Einsatz von KI sieht der Geschäftsführer u. a. in den geringeren Produktionskosten. So fallen keine Honorare für Fotografen und Models an und die Kosten für Reisen oder Lizenzen entfallen. Eine widrige Witterung, die ein Fotoshooting beeinträchtigen könnte, ist kein Problem mehr. Mit Blick auf die Reisen, die ein Team samt Models zu einem Set unternehmen müsste, liegt ein weiterer Vorteil darin, dass diese Art der Produktion nachhaltiger ist. Insgesamt lassen sich mithilfe von KI schneller Bilder produzieren. Die Frage, die sich Unternehmen stellen müssen, ist, ob sie KI-generierte Bilder oder Videos als solche kennzeichnen.
Bewegte Bilder
„Die Entwicklung im Bereich Bewegtbild hängt im Vergleich zum Stillbild etwa ein bis anderthalb Jahre hinterher“, berichtet Alexander Böke, der bei der Graphic Group für alles zuständig ist, was sich bewegt: Video, Animation und natürlich KI. Das Bielefelder Unternehmen hat im ersten Quartal 2024 mit den ersten Pilotprojekten begonnen und rechnet mit ersten Kundenprojekten im Jahr 2026. Im Moment laufen bereits animierte abstrakte Storys mit schrägem Touch gut, wie zum Beispiel ein sich drehender Frauenkopf mit Pasta statt Haaren, da hier der Fokus nicht auf dem Fotorealismus liegt. Aber je näher die Kamera an das Gesicht eines KI-generierten Models zoomt, desto größer ist die Ablehnung durch die Betrachtenden, da das künstliche Abbild als nicht echt empfunden wird. Die Generierung von Mimik und deren Transfer ist momentan noch nicht zu 100 Prozent gelöst. „Da fehlt noch ein Quäntchen. Für uns reicht die Qualität noch nicht“, betont Alexander Böke. Allerdings wird auch das nur eine Frage der Zeit sein, wenn man die rasanten Fortschritte im Bereich Stillbild bedenkt.
Herausforderungen im Umgang mit KI sind also insgesamt die technischen Grenzen, Authentizität, ethische Fragen und das Urheberrecht.
Eine Frage des Rechts
KI wirft viele Fragen für kreative Werke auf – auch und insbesondere rechtliche. Dr. Sebastian Meyer, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Brandi Rechtsanwälte, erläutert in einem unterhaltsamen Kurzvortrag, was Unternehmen in puncto KI und Urheber- sowie Persönlichkeitsrecht beachten sollten. Das Urheberrecht dient – wie der Name schon sagt – dem Schutz des Urhebers. Außerdem rückt dabei auch immer die Verwertung bzw. Monetarisierung eines Werks in den Blick. Der Schutz gilt für eine besonders kreative Leistung. Eine Leistung mit wiedererkennbaren Stil, die nur der Schöpfer oder die Schöpferin vollbringen kann. Das Werk muss nicht unbedingt groß und umfassend sein. Auch kleine Beiträge, wie z. B. der Jingle der Tagesschau, sind schutzfähig. Wer aber ist der Urheber, wenn KI im Spiel ist? Der Programmierer, der Schöpfer des Trainingsmaterials, der Ideengeber, der Bediener oder die KI selbst? „Eine KI kann weder Erfinderin noch Urheberin sein“, macht Dr. Sebastian Meyer deutlich. Weil eine KI keine Schöpferin ist und ein Werk auch nicht verwerten kann. Sie ist eher mit einem Werkzeug vergleichbar. Im juristischen Verständnis können kreative Werke nur von menschlichen Schöpfern stammen. Eine Idee selbst ist übrigens nicht urheberrechtlich geschützt. Und der Bediener, also derjenige, der promptet, führt lediglich eine technische Anweisung aus. Demnach sind pure KI-Ergebnisse gemeinfrei.
Anders gestaltet sich die Situation, wenn ein KI-Entwurf weiter bearbeitet wird. Entscheidend ist hierbei, wie umfassend die Nachbearbeitung ist. Und ob ein eigener Stil erkennbar ist. Derjenige, der den Entwurf in größerem Stil bearbeitet, ist der Schöpfer.
Der Erfolg einer KI ist zudem abhängig von den Trainingsdaten, die aus z. T. frei verfügbaren Quellen stammen, die jedoch nicht mehr eindeutig zuzuordnen sind. Für Unternehmen stellt sich die Frage, wie sie ihre Daten schützen können. Das Data Mining setzt eine Widerspruchslösung um. Gerade erst hat die GEMA als erste Verwertungsgesellschaft Open AI, die Erfinder von ChatGPT, verklagt, weil sie Songtexte von deutschen Urheber*innen verwendet haben. Bei einer umfassend trainierten KI fließen allerdings so viele Aspekte mit ein, dass sich die Ergebnisse nicht auf konkrete Vorlagen zurückführen lassen. Weitere Problematiken gehen in den Bereich des Persönlichkeitsrechts, wenn zum Beispiel durch KI-generierte Bilder bewusst der Eindruck erweckt wird, das eine bestimmte Person abgebildet wird.
Abschließend gibt der Fachanwalt für IT-Recht fünf praktische Empfehlungen:
1. KI-Tools vor Einsatz rechtlich prüfen
2. Fähigkeiten von KI realistisch bewerten
3. Ergebnisse nie ungeprüft übernehmen
4. Mit KI-Nutzung transparent umgehen (zumindest intern)
5. Rahmenbedingungen für KI-Nutzung schaffen: KI-Policy
Im Anschluss an die spannenden Vorträge wurde beim Get-together noch weiter lebhaft über Chancen und Risiken von KI diskutiert.
Text: Eike Birck
Fotos: Sarah Jonek
Kommentare zu den Veranstaltungen sind den Mitgliedern des Marketing Clubs OWL Bielefeld vorbehalten.