Führen von virtualisierten Teams

Prof. Dr. rer. pol. Sascha Armutat
08. Juni 2020
Zoom

Und plötzlich Homeoffice

(Bielefeld, 8. Juni 2020) „Das Thema ist nicht neu“, sagt Prof. Dr. Uwe Rössler, Vizepräsident des Marketing Clubs OWL Bielefeld, bei seiner Begrüßung zum zweiten virtuellen Treffen des Clubs und hält ein Programm aus dem Jahr 2004 in die WebCam. Seinerzeit ging es bei einer Veranstaltung am 27. September um das Thema Videokonferenz. „Und schwupp, 16 Jahre später sind wir auch schon so weit“, wie er augenzwinkernd bemerkt. Überraschend war, wie schnell Unternehmen und Organisation während der Corona-Pandemie auf Homeoffice umgestellt und dabei viel Kreativität freigesetzt hätten. Die Frage sei nun, wie Führung in einer solchen Situation funktioniere.

Dazu gibt Prof. Dr. Sascha Armutat einen inspirierenden Impulsvortrag. Der Dozent, der seit 2016 an der FH Bielefeld Allgemeine BWL mit den Schwerpunkten Personalmanagement und Organisation lehrt, hat als Führungskraft viele Erfahrungen mit der Gestaltung virtueller Führungsbeziehungen gemacht. „Die letzten drei Monate haben gezeigt, was alles möglich ist“, so Sascha Armutat. „Ohne Murren des Betriebsrates und der Belegschaft wurde Homeoffice als Form des mobilen Arbeitens eingeführt. Eine unglaubliche Leistung, die zudem zeigt, wie intuitiv diese Art des Austausches ist.“ Dabei sei aber die Führungskraft mehr denn je gefragt. „Führung ist Führung“, betont der FH-Dozent. „Egal ob Face-to-Face oder virtuell.“ Die Führung von virtualisierten Teams erfolge ohne Sichtkontakt und häufig asynchron. Wenn man sich bei Besprechungen nicht angucken kann, verändere sich die Interaktion. Deshalb müsse die Führungskraft proaktiv auf die Mitarbeitenden zugehen, ihnen Orientierung und Struktur geben. Und natürlich auch motivieren. „Wer keine Präsenzteams führen kann, wird das auch bei virtualisierten Teams nicht schaffen. Das ist Führung in Reinkultur.“

 

Motivierende Arbeitsbedingungen schaffen

 

Der Führungserfolg ist abhängig von der Qualifikation, der Motivation und der Arbeitssituation der Mitarbeiter und schlägt sich in ökonomischer und sozialer Effizienz – im Sinne von Commitment – nieder. „Wir haben eine gute Ausgangslage“, berichtet Sascha Armutat. „Es herrscht eine große Bereitschaft, mobil zu arbeiten.“ Das belegen auch Studien. Diese Bereitschaft gelte es nun zu unterstützen, indem User-Kompetenzen entwickelt, Anwendungskompetenzen gefördert sowie für die entsprechende Datensicherheit bzw. Datenschutz und ein gesundes Arbeitsumfeld gesorgt würde. Dazu gehört die IT-Basis mit leistungsfähigen mobilen Endgeräten und aktueller Software, die IT-Infrastruktur sowie einheitliche Arbeitsplattformen mit File Sharing und Synchronisierungsprozessen. Arbeitsabläufe müssen definiert und Regelungen für mobiles Arbeiten und Datensicherheit geschaffen werden. Auch im Homeoffice kann es Präsenzzeiten geben und Regelungen des Arbeitsschutzes (insbesondere eine 11-stündige Ruhepause) müssen gewährleistet werden. Insgesamt geht es darum Arbeitsbedingungen zu schaffen, unter denen die Mitarbeitenden motiviert arbeiten können. Bürokonzepte werden dabei nicht obsolet. Momente der persönlichen Begegnung und des Socialising werde es weiterhin geben.

 

Sinnhaftigkeit vermitteln

 

Kommunikation und Vertrauen sind entscheidende Erfolgsfaktoren für Führung. Die Führungskraft ist beim Aufbau und der Aufrechterhaltung von Vertrauen in virtualisierten Teams mehr denn je gefragt. Was steht auf der To-do-Liste der Führungskraft? Orientierung geben, ist der erste Schritt. Die Führungskraft muss den Mitarbeitenden erklären, was genau getan werden muss und welchen Impact diese Arbeit für das Unternehmen als großes Ganzes hat. Welche Ziele bzw. auch welche Jahresziele sollen erreicht werden? Das bereichsübergreifende Zielverständnis wirkt sich positiv auf die Motivation aus und kann ein stärkeres Engagement jedes Einzelnen bewirken. Die Vermittlung der Sinnhaftigkeit (purpose) kann auch als Orientierungsworkshop, als Präsenzveranstaltung, durchgeführt werden.

Der zweite Punkt auf der Agenda betrifft das Thema Strukturen schaffen. „Kommunikationsstrukturen müssen etabliert werden“, so der BWL-Dozent. Probate Mittel sind täglich wechselseitige Briefings, wöchentliche Planungssitzungen, monatliche Retrospektiven, wöchentliche individuelle Strategiebesprechungen mit Mitarbeitenden und auch eine Vereinbarung, was der Mitarbeitende tun kann, wenn er allein nicht weiterkommt. „Als Führungskraft habe ich meinen Mitarbeitenden für den Notfall meine Handy-Nummer gegeben und darum gebeten, mir in einem dringenden Fall, eine SMS zu schreiben, um am selben Tag noch ein Gespräch zu vereinbaren. Das hat enormen Druck aus Situationen genommen“, berichtet Sascha Armutat aus der Praxis.

 

Transparenz und Vertrauen gefragt

 

Ein wichtiger Aspekt betrifft die Schaffung von transparenten Arbeitsstrukturen. In gemeinsamen Arbeitsbereichen muss es ein einheitliches Ablage-System geben. Auch ein Kanban-Board kann hilfreich sein. Eine Dokumentation mit den zu erledigenden Aufgaben muss für alle zugänglich sein. Außerdem bedarf es einer Definition, wann eine Aufgabe tatsächlich als erledigt betrachtet wird. Zudem muss ein rechtskonformer Arbeitszeitrahmen samt Definition von Servicezeiten und der Regelung individueller Arbeitszeiten erstellt werden.

Der dritte Punkt auf der To-do-Liste ist für manche Führungskräfte vielleicht der schwerste: Motivierendes Delegieren von Aufgaben heißt loslassen können und Vertrauen in den Mitarbeitenden haben. „Es muss eine echte, ehrliche Delegation sein“, betont der FH-Dozent. Dabei müsse eine vollständige Aufgabe ausgewählt werden unter Berücksichtigung der Kompetenz des Mitarbeitenden, der mit entsprechenden Freiräumen, Sachmittel, Budget etc. ausgestattet wird. Der empfundene Sinngehalt der Arbeit korreliert mit der Motivation und Leistung der Mitarbeitenden.

Der vierte und letzte Punkt auf der Agenda der Führungskraft ist es, den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, ihren Frust zu adressieren – oder einfach mal Dampf abzulassen. Das kann in Mitarbeiter-Gesprächen, virtuellen Meckerboxen oder auch als Chat-Option ohne Beteiligung der Führungskräfte vor sich gehen. Auch hat sich gezeigt, dass ein Telefonat nach wie vor deeskalierende Wirkung haben kann.

Im Anschluss an den spannenden Vortrag gab es noch viele Fragen der Mitglieder und Gäste des Marketing Clubs OWL Bielefeld. Einhellige Meinung war, dass es künftig eine engere Verzahnung von Präsenzarbeit und mobilem Arbeiten geben wird.

 

Text: Eike Birck

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